Wieso denken viele Männer, dass Catcalling funktioniert?

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Wieso denken viele Männer, dass Catcalling funktioniert?

Unter "Catcalling" wird verstanden, dass eine Person eine andere Person unaufgefordert bezüglich ihres Aussehens bewertet. Es handelt sich dabei zwar meistens um positive Bewertungen (im Gegensatz etwa zu Beschimpfungen, Tadel o.ä.), die jedoch oft eine sexuelle Komponente haben. Die Bewertung von Frauen durch Männer ist die häufigste Form. Es handelt sich dabei nicht nur um sprachliche Bewertungen, sondern auch um para- oder nonverbale wie Pfeifen, Anstarren, Gesten etc. (vgl. für entsprechende Ergebnisse einer Online-Befragung [1]). Die Folgen für die bewertete Person können sehr negativ sein und werden jeweils mindestens als unangenehm und unangebracht empfunden.

Warum ist Catcalling so verbreitet und glauben viele Männer, dass es funktioniert?

  • Unser Verhalten in der Gesellschaft ist stark durch sprachliche Routinen geprägt: Begrüssungen, Kontakt aufnehmen, einander Erlebnisse erzählen und auch das Bewerten von Personen und Sachverhalten. Dafür nutzen wir Floskeln ("Hoi, wie gehts!", "Alles ok bei dir?", "Hast du schon gehört, dass..." etc.). Das ist an und für sich weder gut noch schlecht, sondern eine wichtige Eigenschaft von Sprache.
  • Allerdings sind Sprache und diese sprachlichen Routinen auch immer ein Spiegel der Gesellschaft: Von Machtverhältnissen, Geschlechtsstereotypen, Meinungen und Moden.

Für das Catcalling bedeutet dies nun, dass es sich dabei auch um eine sprachliche Routine handelt, die gleichzeitig der Spiegel einer patriarchalen Gesellschaft sind, in der Frauen oft als dauernd zu bewertende Objekte dargestellt werden. Das bedeutet:

  • Es gibt offenbar bei Männern, die Catcalling nutzen, das Gefühl, dass man das halt machen kann, dass es ein übliches Verhalten ist.
  • "Funktionieren" bedeutet für sie wahrscheinlich eher, dass sie sehen, dass andere Männer das auch tun. Und weniger, dass es einen positiven Effekt der Kontaktaufnahme gibt.
  • Glücklicherweise bleibt aber diese Routine des Catcallings nicht unwidersprochen: Das Phänomen wird benannt, indem diese Verhaltensformen, die unangenehm sind, als "Catcalling" bezeichnet werden. Und das Verhalten wird kritisiert. Das sind wichtige Schritte, um zu erreichen, dass Catcalling nicht mehr als "übliche Routine", die "ok" ist, aufgefasst wird.

Ganz generell gibt es heute auch eher ein Verständnis dafür, dass die Bedeutung von sprachlichen Routinen, Sprechakten, Aussagen etc. nicht nur von der Person, die diese äussert, bestimmt werden kann, sondern dass die Bedeutung gemeinsam ausgehandelt wird. Wenn also jemand sagt: "Aber ich habe das doch nur positiv gemeint!", dann muss man auch fragen: Ja aber hat das die angesprochene Person ebenfalls positiv empfunden?

[1] Laura-Romina Goede / Nora Labarta Greven / Tillmann Bartsch (2024): Ist Catcalling ein Fall für das Strafrecht? Ergebnisse einer quantitativen Befragung. In: Burghardt, Boris, Leonie Steinl, and Anja Schmidt, eds. Sexuelle Selbstbestimmung jenseits des Körperlichen. 1. Auflage. Tübingen: Mohr Siebeck, S. 113-127. link

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